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Der kleine Unterschied mit großen Auswirkungen

Das Geschlecht hat einen signifikanten Einfluss auf den Ausgang von Infektionen. Mehr Wissen zu genderbedingten Mechanismen und Verhaltensmustern ermöglicht eine sinnvolle Prävention und bessere Therapie. Das betrifft beide Geschlechter.

Arbeit und Gesundheit

Gendermedizin Prävention

Dr. Anne-Kathrin Collisi

Leitendende Ärztin ias PREVENT GmbH Berlin, Fachärztin für Innere Medizin, Prävention und Gesundheitsvorsorge, Ernährungsmedizin, fachgebundene genetische Beratung

Portrait Dr. Anne-Kathrin Collisi

Das Verständnis von personalisierter und genderspezifischer Medizin wird größer und eröffnet neue Wege in der Prävention und therapeutische Ansätze. Die noch recht junge Forschungsrichtung gender- oder geschlechtsspezifische Medizin beschäftigt sich mit der Frage, warum Männer und Frauen unterschiedlich erkranken und auch unterschiedlich genesen. Dabei spielt der „kleine Unterschied“ medizinisch betrachtet in vielerlei Hinsicht und bei zahlreichen Volkskrankheiten eine tragende Rolle.

Kennen Sie den Gender-Immun-Gap? Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Krankheitsabwehr betreffen sowohl angeborene (unspezifische) als auch adaptive (spezifische) Immunantworten. Einige dieser Unterschiede sind von Beginn an vorhanden, andere entwickeln sich erst in der Pubertät. Daher ist anzunehmen, dass nicht nur genetische, sondern auch epigenetische Faktoren und Sexualhormone daran beteiligt sind, wie stark oder schwach eine Immunantwort ausfällt.

SYMPTOMATISCH

Männer stecken Erkältungskrankheiten häufig schlechter weg und leiden stärker unter den Symptomen. Die „Männergrippe“ ist tatsächlich kein Mythos. Das zeigen retrospektive Analysen im Rahmen der COVID-19 Infektionen. Wurden Männer wegen COVID-19 stationär behandelt, war ihr Risiko, künstlich beatmet zu werden, fast doppelt so hoch wie bei Patientinnen. Weltweit waren 60 Prozent der Todesopfer Männer.

Die Folgen des Gen-Pools

Ein Vorteil des weiblichen Immunsystems: Frauen haben zwei X-Chromosomen. Männer besitzen nur eins. Auf dem X-Chromosom sind mehr als 1000 Gene, auf dem Y-Chromosom nur 100 lokalisiert. Es ist schon länger bekannt, dass auf diesem Chromosom viele Gene zu finden sind, die das Immunsystem beeinflussen. Die Theorie, dass das zweite X-Chromosom der Frauen inaktiv ist, ist inzwischen widerlegt. Es beinhaltet einen Pool von Genen, die Männer nicht haben. Daraus resultieren Vor- und Nachteile.

Neben der genetischen Ausstattung regulieren unsere Sexualhormone unsere Immunantwort. Während das weibliche Hormon Östrogen die Vermehrung der spezifischen Immunzellen unterstützt, wirkt sich das männliche Hormon Testosteron genau gegenteilig aus. Das weibliche Immunsystem ist plastischer als das eines Mannes: Es ist besser in der Lage, sich im Laufe des Lebens zu verändern und anzupassen.

Wenn nach den Wechseljahren der Östrogenspiegel bei den Frauen sinkt, wirkt sich das auch entsprechend auf eine sinkende Immunkompetenz der Frauen aus. Die stärkere Immunantwort bis zu diesem Zeitpunkt hat für Frauen allerdings auch eine Kehrseite: Sie erkranken häufiger an Autoimmunerkrankungen, das heißt: Körpereigene Zellen sind das Ziel, werden angegriffen und bekämpft.

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