Depression: geschlechterspezifische Unterschiede
Eine Depression ist eine seelische Erkrankung, die in jedem Alter auftreten und unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Die Psychologinnen Julia Hodgson-Kastien und Jolanda Zeller informieren über die geschlechterspezifischen Unterschiede einer Depression.
Eine Depression ist eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, die behandlungsbedürftig ist und sich auf vielfältige Weise äußern kann. Circa 6 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland, also mehr als vier Millionen Menschen, leiden jährlich an einer Depression. Statistiken zeigen, dass etwa jeder zehnte Mensch im Laufe seines Lebens eine Depression entwickelt. Doch die Dunkelziffer könnte erheblich höher sein, da nicht alle Fälle erfasst werden.
Häufig zeigen sich Symptome wie Freudlosigkeit oder gar tiefgehende Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und manchmal auch Gefühlstaubheit, was eine Entfremdung von sich selbst und den Ereignissen im Umfeld zur Folge hat. Darüber hinaus können Symptome auftreten, die typischen Stressbelastungen ähneln, wie Schlafprobleme und körperliche Beschwerden, wie Magen-Darm-Beschwerden, Konzentrationsschwierigkeiten und Herz-Kreislauf-Probleme. Wie unerträglich sich dieser Zustand für schwerwiegend Betroffene anfühlen kann, zeigt, dass manche Menschen den Weg des Suizids wählen. Dabei ist eine Depression in den allermeisten Fällen gut behandelbar, z.B. mithilfe einer Psychotherapie und speziellen Medikamenten. Wichtig ist es, zu verstehen, dass die Hoffnungslosigkeit, die mitunter mit einer Depression einhergeht, ein Symptom der Erkrankung ist, also etwas Veränderliches.
Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Diagnose und Behandlung bei Männern und Frauen
Frauen sind statistisch betrachtet fast doppelt so häufig von einer Depression betroffen wie Männer. Bei Männern dauert es allerdings im Durchschnitt dreimal länger, bis sie Hilfe bekommen, und auch die Suizidrate ist bei Männern dreimal so hoch wie bei Frauen. „Dies zeigt, dass viel zu wenige Männer überhaupt die Diagnose einer Depression erhalten“, so die Psychologin Julia Hodgson-Kastien.Mit gravierenden Folgen: Einerseits betrifft dies die Männer selbst, die ohne die notwendige Unterstützung oft über Jahre hinweg mit erheblichem Leidensdruck leben. Denn die Prognose ist umso besser, je früher die Erkrankung erkannt und behandelt wird. Andererseits leidet auch das soziale Umfeld enorm. Oft sind Betroffene nicht in der Lage, erfüllte Beziehungen zu führen und ihren Alltag auf zufriedenstellende Weise zu gestalten.
Die Rollenerwartung an Männer ist immer noch mit Stärke, Überlegenheit und Unverwundbarkeit verknüpft.
Bei Männern kommen einige Symptome häufig vor, die für Frauen eher untypisch sind und die typischerweise nicht mit einer Depression in Verbindung gebracht werden, wie etwa Enttäuschung, Reizbarkeit und Ärger, aggressives Verhalten. Männer kompensieren ihre Symptome zudem oft mit zusätzlicher Anstrengung oder sozialer Konfrontation und gleiten häufiger in Suchtverhalten ab. „Dazu trägt bei, dass die Rollenerwartung an Männer immer noch mit Stärke, Überlegenheit und Unverwundbarkeit verknüpft ist“, ergänzt Jolanda Zeller, Psychologin der ias-Gruppe. Das macht es sehr schwer für Männer, ihre Gefühle wahrzunehmen und offen damit umzugehen. Es führt außerdem dazu, dass die Erkrankung bei Männern häufig verkannt und mit Aggressivität, Arbeitssucht oder einem Burnout verwechselt wird.
Eine Depression ist multifaktoriell
Die Entstehung einer Depression hängt von verschiedenen Faktoren ab. Das bedeutet, dass bei jeder betroffenen Person ein individuelles Zusammenspiel mehrerer Ursachen zu einer Depression führt. Es gibt genetische, aber auch biopsychologische Prädispositionen, also Neigungen. So können etwa organische oder hormonelle Ursachen eine Rolle spielen. Letztere können bei Frauen z.B. rund um die Geburt eines Kindes oder im Zusammenhang mit den Wechseljahren eine Depression oder depressive Verstimmungen begünstigen. Vielen Frauen ist noch immer nicht bewusst, dass bestimmte Veränderungen zur Menopause bereits mit Ende 30, Anfang 40 auftreten können. Einschneidende und belastende Lebensereignisse können auslösende Faktoren sein, wie etwa Tod, Trennung oder Umzug. Auch hohe Anforderungen im Arbeitsleben, insbesondere im Zusammenhang mit geringer wahrgenommener Anerkennung, können nachgewiesenermaßen einen negativen Einfluss haben. Ebenfalls spielen soziale Faktoren eine große Rolle, wie etwa sozialer Austausch und erlebte Unterstützung in Krisen.
Der zunehmende Wandel betrieblicher Gesundheitsförderung hin zu personalisierter Prävention ist genau das, was wir brauchen.
Präventive Maßnahmen für eine gesunde Organisationskultur
Unternehmen und Organisationen können Einfluss auf das psychische Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden nehmen und so Depressionen vorbeugen. Wie das gelingt? Durch eine gesunde Organisationskultur. Dazu gehören gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen, wie sie etwa im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen entwickelt werden. Ganz entscheidend sind auch die Führungsqualität und die Unterstützung der Führungskräfte als zentrale Multiplikator:innen. Denn Führungskräfte können nicht nur selbst betroffen sein, sie gestalten auch die Arbeitsbedingungen und die Kommunikationskultur entscheidend mit und sind zudem Vorbild in Sachen Gesundheitskompetenz.
„Hier lohnen sich vor allem fortlaufende, interaktive Formate für Führungskräfte, die ich unter dem Oberbegriff „Gesunde Führung“ zusammenfassen würde“, empfiehlt Julia Hodgson-Kastien. Diese können dazu beitragen, Führungskompetenz in der Prävention von und im Umgang mit psychischen Belastungen zu entwickeln und auch in Bezug auf konkrete Themen wie Burnon/Burnout, Depression, Sucht, Resilienz, Psychologische Sicherheit und weitere. Hilfreich können außerdem niedrigschwellige Beratungsangebote sein, die eine erste Brücke ins Hilfesystem schlagen können, ohne dass Betroffene gleich sozial exponiert sind, wie z.B. EAP-Programme/Mitarbeitenden-Beratung sowie Psychologische Erste Hilfe.
Erhebungen zeigen immer wieder, dass deutlich weniger Männer als Frauen Beratungsangebote nutzen, auch die von Arbeitgebenden. Es sollten deshalb neue Konzepte erprobt werden, was die Kommunikationswege und die Art der Ansprache betrifft. Manche Unternehmen haben gute Erfahrung mit sogenannten Peer-Berater:innen. Das sind meist ehemals selbst Betroffene, die sich sowohl als Botschafter:innen für das Thema als auch als erste interne Ansprechpersonen anbieten. Wenn diese z.B. selbst männlich und in einer Führungsposition sind, kann dies zu einer deutlich höheren Reichweite in der Belegschaft führen. Vieles hängt aber auch davon ab, wie solche Angebote platziert werden. Hier ist es wichtig, auf Niedrigschwelligkeit zu achten und durch direkte Begegnungen Vertrauen zu schaffen.
Geschlechterspezifische Veranstaltungen wie etwa Gesundheitstage für Frauen und Männer bieten eine gute Gelegenheit, Gesicht zu zeigen, ins Gespräch zu kommen, Hemmschwellen abzubauen und Zuversicht zu säen. Auch das fortlaufende Adressieren, die Sensibilisierung und Entstigmatisierung des Themas und das Platzieren von Anlaufstellen kann viel bewirken. Der zunehmende Wandel betrieblicher Gesundheitsförderung hin zu personalisierter Prävention ist genau das, was wir brauchen. Denn die Menschen verbringen einen großen Teil ihrer Lebenszeit bei der Arbeit. Wichtig ist, dass Betroffene überhaupt den Weg ins Hilfesystem finden. Denn dieses ist für Laien oft unübersichtlich und die Versorgung psychisch Erkrankter ist häufig mit langen Wartezeiten verbunden.
Hilfsangebote und Unterstützung
- Ein guter erster Schritt kann eine auf Wunsch anonyme Mitarbeitenden-Beratung sein oder auch die Kontaktaufnahme mit der Telefonseelsorge.
- Auch ein Gespräch der/dem Hausärzt:in kann eine gute Möglichkeit sein. Hausärzt:innen können bei Bedarf auch medikamentös unterstützen und/oder zu einem geeigneten Fachärzt:in eine geeignete Klinik überweisen.
- Viele Krankenkassen bezahlen unterstützende Online-Programme.
- Eine gute Übersicht bietet die Deutsche Depressionshilfe Depression - Wo finde ich Hilfe? - Stiftung Deutsche Depressionshilfe (deutsche-depressionshilfe.de).
Für Männer kann es hilfreich sein, sich an eine Anlaufstelle zu wenden, die für die Besonderheiten dieser Zielgruppe sensibilisiert ist. So gibt es spezielle Diagnostikinstrumente für Männer und auch spezialisierte Kliniken. Das Angebot ist allerdings leider noch überschaubar. Im Rahmen der Behandlung kann es für Frauen darum gehen zu lernen, wie sie im Alltag achtsamer mit ihren Grenzen umgehen und Verantwortung besser abgeben können - für Männer darum, einen besseren Umgang mit Konflikten und mit den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen zu lernen. Am Ende aber ist der passende Therapieansatz immer individuell.
Sie selbst sind betroffen oder sorgen sich um jemanden in ihrem Umfeld? Sie denken darüber nach, sich das Leben zu nehmen? Bitte nutzen Sie die verfügbaren Hilfsangebote und wenden Sie sich an eine der nachfolgenden Anlaufstellen:
- Suizidprävention - TelefonSeelsorge® Deutschland
- Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention e.V. (suizidprophylaxe.de)
- Info-Telefon Depression - Stiftung Deutsche Depressionshilfe (deutsche-depressionshilfe.de)
- Infos und Hilfe bei Depression - Stiftung Deutsche Depressionshilfe (deutsche-depressionshilfe.de)
Prävention 4.0
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