Tierisch sicher
Ein Blick hinter die Kulissen des Zoos Dresden zeigt: Die Arbeit mit Wildtieren ist abwechslungsreich und voller Gefahren. Eine Herausforderung für den Arbeitsschutz
Praxisreport
Bildlegende: Wildtiere nah und dennoch sicher erleben – wie sich das realisieren lässt, besprechen Sicherheitsingenieur Klaus-Uwe Hauschild, Geschäftsführer des Zoos Dresden Karl-Heinz Ukena und Zooinspektor Helmar Pohle
Löwen, Affen und Giraffen quasi vor der Haustür beobachten und dabei das Fernweh stillen? Ein Zoobesuch macht es möglich. Im Zoo Dresden gehören rund 75 Mitarbeitende zum festen Team, darunter 47 Tierpflegende. Die Wildtiere umsorgen, pflegen, füttern oder das Gehege dekorieren – was beschaulich klingen mag, ist in Wahrheit harte Arbeit. „Tierliebe allein reicht nicht als Qualifikation“, erklärt Tierpflegemeister Helmar Pohle. „Tierpflegende brauchen umfangreiche Kenntnisse über Anatomie, Physiologie oder das natürliche Habitat der Wildtiere sowie ein Händchen nicht nur für den Umgang mit den jeweiligen Arten, – sondern auch mit der Presse.“ Zoogeschichten wie das jüngst geborene Trampeltier Delu begeistern Zeitungslesende und Fernsehpublikum und bescheren dem Zoo Spenden und konstante Besucherzahlen.
Im Zoo kollidiert das wilde Ungezähmte mit manchen Vorschriften und Normen. Wie gefährlich ein Tier ist, variiert zudem nach Alter, Brunftzeit, Nachwuchs und verändert die Anforderungen an das Sicherheitsprotokoll.
Gefährdungen allgegenwärtig
Ob vor der Kamera oder hinter den Kulissen: Tierpflege ist eine facettenreicher Aufgabe mit hoher Verantwortung, die Pohle nicht missen möchte. Als Zooinspektor gibt er seine langjährigen Erfahrungen heute an Auszubildende und Mitarbeitende weiter. Pedantisch trichtert Pohle seinen Kolleg:innen die strengen Vorschriften zum sicheren Umgang mit Wildtieren ein. „Ob das Gehege richtig verschlossen ist, kann über Leben und Tod entscheiden“, so Pohle. Doch Gefährdungen lauern überall: Schnittwunden, Stürze, Bisse führen die Liste an, doch auch Tritte oder Allergien gehören zu den Risiken. „Die Sicherheitsvorschriften müssen in Fleisch und Blut übergehen“, so Pohle.
Dass die Gefährdungen auch nach vielen Berufsjahren allgegenwärtig bleiben, zeigen tödliche Vorfälle wie der im Berliner Tierpark, wo eine erfahrene Pflegerin von einem 350 Kilogramm schweren Moschusochsen erdrückt wurde. Der Grund: Der Sicherungsbalken vor der Gehegetür war nicht korrekt vorgeschoben.
Mögliche Gefährdungen erkennen, beurteilen und durch entsprechende Schutzmaßnahmen vermeiden – so lautet die konsequente Zielstellung in Dresden. Fest ist der Arbeits- und Gesundheitsschutz in die betriebliche Organisation integriert, wird auch von der Geschäftsführung, dem Kuratorium, Revierleitungen, Gärtner:innen, Handwerker:innen wie Sicherheitsbeauftragten und der Betriebsärztin gelebt. Die Auswahl der Sicherheitslösungen erfolgt nach dem STOP-Prinzip:
- Substitution (was kann ersetzt und damit sicher werden?),
- technische Schutzmaßnahmen (wie Verriegelungssysteme im neuen lichtdurchfluteten Orang-Utan-Haus) über
- organisatorische Maßnahmen (wie Unterweisungen der Mitarbeitenden) bis hin zur Auswahl von
- persönlichen Schutzmaßnahmen (wie geeignetem Klettergeschirr, biss- und schnittfeste Arbeitshandschuhe oder Impfungen zum Schutz vor Zoonosen*).
„Im Idealfall wird der Zoobesuch nicht durch die Schutzvorkehrungen beeinträchtigt. Unterhaltung und Sicherheit sollen Hand in Hand gehen“, erklärt Sicherheitsingenieur Klaus-Uwe Hauschild von der ias-Gruppe. Seit über 15 Jahren begleitet er die Mitarbeitenden des Zoos, ist Ansprechpartner bei Fragen und Nöten und berät zu den Vorschriften des Gesetzgebers und der Unfallkasse Sachsen. Ein lebendiger Austausch, bei dem seine langjährige Expertise auf die Erfahrung der Tierpflegenden trifft.
Theorie und Praxis verbinden
Ist der Zoo für Hauschild ein Lieblingskunde? „Natürlich bin ich gern vor Ort, nicht zuletzt wegen den Herausforderungen, die mir hier begegnen.“ Denn das Verhalten von Tieren lässt sich nicht komplett vorhersagen und in Arbeitsschutzvorgaben pressen. Zooinspektor Pohle: „Das wilde Ungezähmte kollidiert mit manchen Vorschriften und Normen. Wie gefährlich ein Tier ist, variiert zudem nach Alter, Brunftzeit, Nachwuchs und verändert die Anforderungen an das Sicherheitsprotokoll.“
Eine Brücke zu bauen zwischen Theorie und Praxis, daran tüfteln Tierpfleger:innen und Sicherheitsfachleute, wägen Risiken und Nutzen ab und versuchen alle Situationen durchzuspielen. „Kürzlich ist ein Zebrahengst über den Graben gesprungen. Sofort konnte der Alarmplan geprobt und umgesetzt werden, um den Ausreißer schnell einzufangen“, berichtet Pohle. „Gefragt sind also auch körperliche Fitness und Geschicklichkeit.“
Wildtiere hautnah und sicher erleben – dafür sorgen die Mitarbeitenden des Zoos Dresden gemeinsam mit der ias-Gruppe. Nach monatelangen Schließungen hofft der Zoo jetzt auf ein Ende der Pandemie und reichlich Publikum.
Tierpark mit Tradition
Der Zoo Dresden öffnete erstmalig 1861 seine Pforten für Besucher:innen und ist damit der viertälteste unter den Zoologischen Gärten Deutschlands. Jährlich kommen normalerweise rund eine Dreiviertelmillion Besucher:innen in den Zoo. Auf rund 13 Hektar zeigt die sächsische Institution heute mehr als 1500 Tiere aus etwa 250 Arten, die auf unterschiedliche Art zu betreuen sind. Der Zoo vergibt zudem jedes Jahr zwei Ausbildungsplätze.
Dieser Praxisreport ist in dem ias-Kundenmagazin impulse erschienen, das Sie als ePaper abonnieren können.
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