Die Zukunft der Prävention
Warum es in der Prävention ein Umdenken braucht und welche Schlüsselrolle die Arbeitswelt dabei spielt, verrät Dr. Alexandra Schulz-Wrusch, Medizinerin und Vorständin der ias Aktiengesellschaft und der ias Stiftung, im Interview.
Prävention 4.0
Frau Dr. Schulz-Wrusch, was bedeutet Prävention 4.0?
Prävention 4.0 steht für personalisierte, lebensphasenspezifische, geschlechtergerechte und gendersensible Prävention. Einfacher gesagt nehmen wir damit den Menschen in seiner Einzigartigkeit, seinem Lebenskontext und seinem Lebenslauf in den Blick.
Warum braucht es eine neue Prävention im Sinne von 4.0?
Es war in der Medizin eigentlich schon immer klar, dass es besser ist, vorzubeugen, als hinterher zu therapieren. Unser Gesundheitssystem ist aber auf Therapie ausgerichtet. Und an den Stellen, wo Prävention stattfinden kann, in der hausärztlichen Versorgung beispielsweise, ist die Zeit gar nicht gegeben, um präventiv tätig zu werden. Außerdem haben wir in der Prävention in den letzten Jahren viele neue Erkenntnisse gewonnen. Wir haben insbesondere verstanden, dass es viele Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Das heißt, wenn wir von Prävention 4.0 und von individueller und personalisierter Prävention sprechen, dann sprechen wir auch von gendersensibler Prävention.
Die Prävention, die Menschen in einem Unternehmen erfahren, nehmen sie für sich ihr ganzes Leben lang mit.
Was bedeutet das für die Gesundheit der Einzelnen?
Wir wissen, dass Menschen in bestimmten Phasen ihres Lebens gar nicht zum Arzt gehen, weil sie sich gesund und leistungsfähig fühlen. Das betrifft vor allem die Lebensphase zwischen 30 und 50. Aber gerade in dieser Lebensphase können wir Grundlagen dafür legen, dass Stoffwechselerkrankungen in einem späteren Lebensabschnitt gar nicht erst entstehen. Deswegen wollen wir den Menschen an der Stelle die Unterstützung für Gesundheit und Leistungsfähigkeit zukommen lassen, an der wir Ihnen zu einem Großteil ihres Lebens begegnen: in der Arbeitswelt.
Welche Chancen eröffnet Prävention 4.0 für die Arbeitswelt?
Der Gedanke einer ganzheitlichen Prävention, die auf Personalisierung setzt, hat gerade im Kontext der Arbeitswelt ein riesiges Potenzial. Im Laufe einer Erwerbsbiografie hat ein Mensch völlig unterschiedliche gesundheitliche Risiken und Herausforderungen. Es gibt Teachable Moments (lehrbare Momente), in denen Menschen besonders sensibel dafür sind, Informationen aufzunehmen und daraufhin ihr Gesundheitsverhalten zu verändern. Als Arbeitsmediziner:innen begegnen wir den Menschen im Laufe ihrer Erwerbsbiografie häufig und können sie in diesen Momenten erreichen und ganzheitlich beraten.
Warum hat Prävention gerade im Arbeitskontext so viel Potenzial?
Für uns Menschen ist Arbeit ein ganz wichtiger Lebensfaktor. Die Möglichkeit, sich einzubringen, etwas zu gestalten und einen Beitrag zu einem Ergebnis zu leisten, das ist es, was im Arbeitsleben stattfindet. Als ias-Gruppe können wir mit Prävention 4.0 einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen das möglichst gesund tun können. Gleichzeitig müssen wir uns auch klarmachen, dass Menschen heutzutage sehr alt werden können. Das heißt, es wird auch immer wichtiger, dass die Menschen über einen längeren Zeitraum gesund sind und eine hohe persönliche Lebensqualität haben.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Die Prävention, die Menschen in einem Unternehmen erfahren, nehmen sie für sich ihr ganzes Leben lang mit. Mit einer ganzheitlichen Prävention, die personalisiert, lebensphasenspezifisch, geschlechtergerecht und gendersensibel ist, holen wir die Menschen genau dort ab, wo sie sind. Damit können nicht nur Krankentage reduziert werden, sondern insbesondere auch eine Bindung der Mitarbeitenden zum Unternehmen erreicht werden. Denn wenn Unternehmen sich dem Thema des individuellen Gesunderhaltens der einzelnen Mitarbeitenden über die gesetzlichen Anforderungen hinaus widmen, spricht daraus eine extrem hohe Wertschätzung für die Leistung, die jede:r Einzelne ins Unternehmen einbringt. Die Menschen, die heute in Unternehmen arbeiten, wollen von diesen gehalten werden. Denn der Fachkräftemangel, über den wir in den vergangenen Jahren theoretisch gesprochen haben, ist längst Realität geworden.
Gesundheitsvorsorge in Deutschland - Potenziale für die Arbeitswelt
Welche Rolle spielt Digitalisierung bei Individualisierung?
Die Digitalisierung hilft uns bei der Darreichung unserer Dienstleistung und ist die perfekte Ergänzung für unsere analoge Beratung und Betreuung. Denn das digitale Leistungsangebot ermöglicht, dass wir personalisierte und individuelle Angebote machen können, basierend auf unserem Verständnis davon, was die einzelne Person zur Unterstützung und zur Förderung ihres Gesundheitsverhaltens benötigt.
Wie sieht die Zukunft von Prävention 4.0 aus?
Im Rahmen von Prävention 4.0 sind wir wissenschaftlich vernetzt und werden Langzeitstudien über die nächsten zehn bis 15 Jahre anlegen. Damit machen wir es unseren Kunden möglich, durch jährliche Evaluierung nachvollziehen zu können, was es ihnen gebracht hat, dass sie sich um personalisierte, lebensphasenspezifische, geschlechtergerechte und gendersensible Prävention gekümmert haben.
Prävention 4.0
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